Was der Versicherer auf keinen Fall versichern wollte

Die aktuelle Rechtsprechung zur Betriebsschließungsversicherung führt vor Augen, welche enorme praktische Relevanz die korrekte Auslegung von Versicherungsbedingungen hat.

Versicherungsbedingungen sind – diplomatisch ausgedrückt – ein wenig ruhmvolles Beispiel für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Kleingedruckt, lang, kompliziert und häufig uneindeutig. Etwas für Profis. Deshalb hat sich der BGH schon vor vielen Jahren eindeutig positioniert: Nach ständiger Rechtsprechung sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie nach aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs versteht. Zuletzt hat der BGH zur D&O-Versicherung erneut in diesem Sinne geurteilt und damit die bestehende einheitliche OLG-Rechtsprechung regelrecht kassiert.

In der Schadenregulierungspraxis hört man häufig, worauf es nicht ankommt:

 „Das wollten wir aber nicht versichern“ oder „Das kann man gar nicht versichern“. Beide Aussagen sind Ausdruck der Überzeugung der Versicherer, nur das, was sie versichern wollten, sei auch versichert. Mit der Position des BGH ist dieses Verständnis nicht zu vereinen. Lassen Sie uns ein ungeheuerliches Gedankenexperiment wagen, um den Unterschied zu verdeutlichen, basierend auf einem konkreten Bedingungswerk

Stellen wir uns das Multi-Line Bedingungswerk vor, das eine Sach- und eine Betriebsunterbrechungsversicherung auf „All Risk“-Basis umfasst. All Risk oder Allgefahrenversicherung bedeutet, dass zusätzlich zu den benannten Gefahren (z.B. Feuer) auch unbenannte Gefahren versichert gelten. Die Definitionen in den BU-Versicherungsbedingungen verweisen für die Definition der benannten Gefahren in der Regel auf die Definitionen der Sachversicherung. Dort ist als Sachschaden üblicherweise Zerstörung, Beschädigung oder Abhandenkommen versichert. Für den All Risk Baustein gilt üblicherweise, dass unvorhergesehene Schäden an versicherten Sachen (Sachschäden) versichert gelten. Unvorhergesehen ist in der Regel definiert als unter Beachtung der üblichen Sorgfalt nicht vorhersehbar. Das könnte man für die COVID-19 Pandemie möglicherweise bejahen. Die Definition des Sachschadens beschränkt die Deckung anders als bei den benannten Gefahren üblicherweise auf die nachteilige Veränderung der Sachsubstanz (Zerstörung und Beschädigung). Üblich ist auch die Mitversicherung von Abhandenkommen von Sachen durch einen versicherten Sachschaden (nicht durch eine versicherte Gefahr) als Deckungserweiterung.

(Ungewollte) Deckung für Etragsausfallschäden im Zusammenhang mit Covid 19 in der Allgefahren Bertriebsunterbrechungs-Versicherung

Definiert das BU-Bedingungswerk nun aber im konkreten Fall den Sachschaden abweichend von der üblichen Formulierung durch den Verweis auf die Bedingungen der Sachsubstanzversicherung als die Zerstörung, Beschädigung oder das Abhandenkommen von Sachen durch eine versicherte Gefahr, ist die Frage, was unter „Abhandenkommen“ zu verstehen ist. Setzt dies eine Einwirkung auf die Substanz oder gar analog Sachenrecht (§ 935 BGB) den unfreiwilligen Verlust der Sache voraus? Die Bedingungen verlangen ein Abhandenkommen dem Betrieb dienender Sachen. Zweck der Betriebsunterbrechungsversicherung ist die Versicherung des Sachnutzungsinteresses. Es geht also nicht um Besitz der Sache oder die Sache selbst. Bestimmungen des BGB finden nur Anwendung, wenn die Versicherungsbedingungen keine spezielle Regelung vorsehen. Wie versteht jetzt der durchschnittliche Unternehmer, auf den es bei der Auslegung der Bedingungen ankommt, die Formulierung „Abhandenkommen dem Betrieb dienender Sachen“? Versteht er es so, dass er tatsächlich den Besitz verlieren muss oder so, dass er die Sachen, die sonst dem Betrieb dienen, jetzt nicht mehr nutzen kann?

Manchmal verliert man, manchmal gewinnen die anderen …

Weil ein Ausschluss für Pandemie in den Bedingungen nicht formuliert ist, würden wir, wenn der Versicherungsnehmer dann noch eine Betriebsunterbrechung hat, die zu einem Ertragsausfall führt und in der Rückwirkungsschäden auch mitversichert sind, im Streitfall lieber auf der Seite des Versicherungsnehmers beitreten als auf der Seite des Versicherers… Möglicherweise würde man auch in dem Fall den Weg bis zum BGH gehen müssen.

Die Argumentation des Versicherers ist klar: „Das wollten wir nicht versichern, das kann man nicht versichern und kalkulieren.“ Die Position des BGH ist es aber auch, dann müsst ihr das auch so deutlich schreiben, das der durchschnittliche Versicherungsnehmer – ohne dogmatische und juristische Spezialkenntnisse – das so versteht.

Sind Ihnen Ertragsausfall-Bedingungen bekannt, die so formuliert sind, dass Sachschäden vorliegen, wenn Sachen zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen? Wir sind an einer Kopiegabe interessiert.

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Wir von Peritos kümmern uns im Schadenfall um Ihre Interessen als Versicherungsnehmer. Wir unterstützen Makler bei der professionellen Beratung ihrer Kunden. Sie profitieren von unserem Fachwissen und unserer Erfahrung. Wir machen uns Gedanken, die Ihnen nützen und vertreten Ihre Positionen. Wir berücksichtigen bei den Diskussionen mit den Versicherern die Interessen der Versicherungsnehmer, auf die es auch bei der Auslegung ankommt. Das vergisst die Regulierungspraxis gerne. Genauso wie die Tatsache, dass unzureichend (nicht eindeutig, gegen den Vertragszweck verstoßend) formulierte Bedingungen zu Lasten des Versicherers gehen.

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